Unterwegs in der Ferienregion.
Vom Ursprung des Lai Barnagn
Beim Wasserspielplatz plantschen Kinder, auf dem See kreuzen Stand-up-Paddler und am Ufer fliegen die Beachvolleybälle. Wer im Sommer am Lai Barnagn sitzt und die gemütliche Atmosphäre geniesst, kann sich nicht vorstellen, dass hier im Winter ein grosser Parkplatz steht, wo sich bis zu 700 Autos nebeneinanderreihen. Im Herbst wird einfach das Wasser abgelassen und im Frühling wieder aufgefüllt – eine wundersame Verwandlung, die sich seit 35 Jahren alljährlich abspielt.
Heute möchte ich Ihnen die Geschichte erzählen, wie es zur Idee und Realisierung dieser einzigartigen und genialen Doppelnutzungsanlage gekommen ist. Dazu habe ich mich mit Baltermia Peterelli getroffen, ehemaliger Leiter des Bauamts Savognin und einer der Väter des Lai Barnagn.
Wohin mit dem neuen Parkplatz?
Die Geschichte beginnt im Jahr 1983, als die Bergbahnen ihre Zubringeranlage erneuern wollen. Die Zweiersesselbahn soll durch eine kuppelbare Viersesselbahn ersetzt werden. Die Erhöhung der Transportkapazität bedeutet aber auch, dass das Parkplatzangebot um 700 Plätze erweitert werden muss. Die Gemeinde Savognin steht vor einem Dilemma: Ein vollgefüllter Parkplatz im Winter ergibt ein schönes Bild, aber ein leerer, grauer Platz im Sommer sieht alles andere als gut aus. Bis es zur genialen Lösung mit dem Badesee kommt, ist es ein langer und holpriger Weg… Doch am besten lassen wir Baltermia selbst weitererzählen:
«Zunächst kam die Idee auf, die 700 Parkplätze mit Rollteppichen aus Stahl bereitzustellen, jeweils für die Wintersaison auf einer Wiese im Raum La Nars. Das Militär benutzt solche Rollteppiche um provisorische Start- und Landeplätze für die Fliegertruppen zu errichten. Also hat die Gemeinde bei der NATO die Kosten angefragt. Der Preis war sehr hoch und mit dem jährlichen Auf- und Abbau zu teuer.»
Die Idee kam bei einem Ausflug
«Ein weiteres Thema war damals, im Sommer ein Wasserangebot für Gäste und Einheimische zu schaffen. Vielleicht ein See? Um uns ein besseres Bild zu machen, gingen Leza Spinatsch sel., damals Gemeindekanzlist, und ich nach Disentis. Wir wollten uns den kleinen Badesee beim Campingplatz anschauen. Und dort kam uns die Idee: Lass auch uns einen Badesee bauen, und zwar im Gebiet Barnagn in unmittelbarere Nähe der Bergbahntalstation. Auf den Winter könnten wir das Wasser ablaufen lassen und den Seegrund als Parkplatz nutzen.»
Natürlich wollten wir unsere Idee gleich ausprobieren und beauftragen die Werkgruppenarbeiter Durei Netzer sel. und Emil Moser damit, ein Versuchsbecken auszugraben und es mit Wasser zu füllen. Doch das Wasser versickerte schneller, als sich das Becken füllte. Der anschliessende Versuch, das Testbecken mit Lehm abzudichten, verlief ebenfalls erfolgslos. Es musste ein wasserdichter Belag her!
Zweifache Belagsschicht als Lösung
Wir kontaktierten Edy Montalta von der Firma Baustrag in Chur. Dieser schaute uns zuerst etwas konsterniert an, doch als er merkte, dass es uns ernst war, stand er uns gerne mit seinem Fachwissen zur Seite. Er kenne einen französischen Professor und Spezialisten für Belagsbeckenbauten, meinte Edy. Die Antwort aus Frankreich war dann eine gute Nachricht: Ein solches Doppelnutzungsbelagsbecken existiere wohl nirgendwo sonst auf der Welt, doch man könne es sehr wohl bauen! Der Lösungsvorschlag war eine zweifache Belagsschicht: unten eine wasserdichte Schicht, damit das Wasser nicht versickert, darüber ein strapazierfähiger Deckbelag für die Parkplatznutzung.
Leza und ich waren begeistert und stellten das Projekt dem Gemeindevorstand vor, der es jedoch nicht unterstützen wollte. Auch der damalige Kur- und Verkehrsverein sprach sich sogar schriftlich gegen das Vorhaben aus. Doch so schnell gaben wir nicht auf. Wir bestanden darauf, die Bevölkerung zu befragen. Der Vorstand war damit einverstanden, jedoch durften wir den Infoabend nicht in Gemeindelokalitäten durchführen.
Der Bevölkerung gefiel die Idee
Schliesslich führten wir den Infoabend im Hotel Pianta durch und ein Grossteil der rund 80 Anwesenden fand durchaus Gefallen an unserer Idee. Dagegen waren wegen dem Landverlust verständlicherweise vor allem die betroffenen Bauern. Nach dem erfolgreichen Infoabend war auch der Gemeindevorstand bereit, das Projekt Lai Barnagn zu unterstützen. Die dann angefragten Bergbahnen waren ebenso der Meinung, dass ein solcher See eine gute Parkplatzlösung sein könnte.
Der nächste Schritt hiess nun: die Gemeindeversammlung überzeugen. Ich erinnere mich noch gut, wie auf dem Weg zur Versammlung jemand zu mir sagte: „Heute werden wir dieses Projekt bodigen“. Doch es kam anders. Denn wir hatten uns eingehend mit der vergleichbaren Seeanlage in Laax befasst, wir kannten alle Fakten wie Wassertemperatur, Kioskumsatz, Benutzungsstatistiken usw. Damit konnten wir die Gegenargumente entkräften und die Stimmbevölkerung überzeugen. So fiel im Mai 1986 der Startschuss für den Bau des Lai Barnagn. Nach nur viermonatiger Bauphase konnte der See erstmals mit Wasser gefüllt und der Parkplatz im Winter 1986/87 bereits benutzt werden.»
Das Angebot wächst weiter
Der Lai Barnagn wurde schnell beliebt und ein grosser Erfolg, sodass die Seeanlage laufend ausgebaut werden konnte. Heute finden die Besucherinnen und Besucher rund um den See folgende Angebote: Liegewiese, Grillstellen, je zwei Beachvolleyballplätze und Tischtennisplatten, ein kleiner Fussballplatz, zwei Flosse auf dem See, Vermietung von Wassersportgeräten (Ruderboote, SUP, Pedalos), eine Minigolfanlage, Riesentrampolin, Slackline und ein Kinderspielplatz mit Wasserspielanlage und Riesensandhaufen. 2019 konnte der neue Seekiosk mit Umkleidekabinen, WCs und Duschen eröffnet werden. Und im Frühling 2022 kommt mit einem Pumptrack die nächste Attraktion hinzu.
Angraztg fitg Baltermia. Dank eurem Einsatz und Durchhaltewille können wir heute einen so schönen und vielfältigen Badesee geniessen. Alla proxima, Seraina
Lai Barnagn
- Breite: 40-60 m
- Länge: 250 m
- Seetiefe: 0-3 m
- Grundfläche 12'500 m2 / Wasseroberfläche 15'000 m2
- Wasserzufuhr: unterirdische Wasserleitung aus dem Überlauf der Wasserversorgung. Die ständige Erneuerung des Seewassers wird durch zwei Überläufe garantiert.
- Als Biotop bietet der See Lebensraum für Pflanzen und Tiere
Baltermia Peterelli war nicht nur in Savognin eine bekannte Persönlichkeit, sondern im ganzen Kanton Graubünden. 1983-1994 sass er für die CVP im Grossen Rat und war 1992 als Standespräsident höchster Bündner. 1997-2017 amtete er als Kreispräsident Surses sowie Stiftungsratspräsident des Spital-und Betagtenheim Savognin/Surses. Während seiner langen Laufbahn belegte er viele weitere Mandate und Ämter. Der 73-Jährige interessiert sich noch immer für Politik und das Geschehen in seiner Heimat.