Unterwegs in der Ferienregion.
Die Restauratoren von Parsonz
Wir stehen vor dem Museum Regiunal Savognin und blicken auf das Gebäude vis-à-vis, ein altes Haus mit dicken und unebenen Wänden. Die Fassade erstrahlt in gebrochenem Weiss. Je länger man sie anblickt, desto mehr Details fallen auf: Holzbalken, Wölbungen, eine Freskenmalerei mit Mariendarstellung. Das Haus wirkt sehr gepflegt und gut erhalten. Vor einigen Jahren sah es hier noch ganz anders aus. Die Tgesa Caminada, wie das Haus heisst, bot keinen würdigen Anblick. Die Fassade war zerfallen und das schöne Fresko völlig verwittert.
Den Glanz der Tgesa Caminada wieder zum Vorschein gebracht, haben Sabine und Aaron Bellini. Das Restauratorenpaar hat das denkmalgeschützte Haus sorgfältig restauriert. Von 2019 bis 2021 arbeiteten sie an diesem geschichtsträchtigen Haus. Ihr Credo als Restauratoren lautet: Das Nötige tun, um den Zerfall zu stoppen beziehungsweise hinauszuzögern; und gleichzeitig so wenig wie möglich tun, um die ursprüngliche Substanz zu erhalten und nichts zu verfälschen.
Von der Gotik bis zum Biedermeier
In der Tgesa Caminada ist viel wertvolle, historische Bausubstanz erhalten wie zum Beispiel eine vollständig erhaltene Holzstube aus dem 15. Jahrhundert. Speziell sei ausserdem, sagt Aaron, dass sich verschiedene Stilrichtungen im Haus vereinen von der Gotik bis zum Biedermeier. In Zukunft sollen Menschen in diesem ehrwürdigen Haus übernachten und Ferien verbringen können. Der Besitzer beabsichtigt nämlich, die Tgesa Caminada über die Stiftung «Ferien im Baudenkmal» ab Februar 2023 zu vermieten. Auch ein Tag der offenen Türe ist geplant, am Samstag, 4. Februar 2023 von 10.00 bis 16.00 Uhr.
Der Besitzer des Hauses ist ein regelmässiger Gast im Val Surses. Er hat bereits drei historisch wertvolle, aber baufällige Gebäude in der Region gekauft und sie vom Ehepaar Bellini restaurieren lassen. Der Verkauf und die Restaurierungen der Tgesa Caminada gab in Savognin zu reden und der Lokalhistoriker Romano Plaz setzte sich dafür ein, dass das Haus an jemanden geht, der es erhalten will und wird. Dank diesem Zusammenspiel steht die Tgesa Caminada heute in neuem und doch altem Glanz da.
Jedes Einzelteil nummeriert
Wir treten ins Haus, das grösser ist, als es von aussen wirkt. Sofort fallen die hohen Decken auf, die man bei so alten Häusern nicht vermutet. Der untere Teil stammt aus dem 13. Jahrhundert, wie Aaron erklärt, der obere vermutlich aus dem 15. bis 19. Jahrhundert. Die Räume sind sehr unterschiedlich und überall lässt sich etwas entdecken, denn es hat viele Nischen und Details, die Einsichten in verschiedene Zeiten freigeben. Über den ursprünglichen Zweck lasse sich nur spekulieren, meint Aaron. Möglicherweise habe es zum bischöflichen Hof gehört, den die Churer Bischöfe in Savognin unterhielten.
Alles was im Haus zu sehen und alt ist, haben Aaron und Sabine zusammen mit ihren beiden Mitarbeitern aufwändig bearbeitet. Sie haben Böden, Wände, Decken freigelegt und gereinigt, wo nötig ergänzt und frisch gekalkt, und auch alle Fenster und Türen inklusive Schlosserarbeiten restauriert. Einen Boden haben sie sogar herausgenommen, damit Leitungen verlegt werden konnten. Sie haben jedes Einzelteil nummeriert und wieder an den Ursprungsort zurückgelegt, damit die Muster und Spuren, welche die Zeit hinterlassen hat, weiterhin erkennbar sind.
Auf der Baustelle kennengelernt
Aaron und Sabine arbeiten seit über 15 Jahren zusammen. Er ist Spezialist für Holzrestaurierungen, sie für Steinrestaurierungen. Ihre Firma mit Sitz in Parsonz heisst daher: Holz und Stein AG. Ihre langjährige Erfahrung ist gefragt, weil sie sich ideal ergänzen und das gesamte Restaurierungsspektrum beherrschen.
Im Val Surses haben sie neben verschiedenen Häusern auch Kunstgegenstände und Verzierungen in Kirchen wiederhergestellt sowie eigene Werke kreiert, etwa verschiedene Dorfbrunnen oder die Ortsbegrüssung von Riom-Parsonz, eine dynamische Skulptur aus Stein und Holz.
Kennengelernt haben sie sich – wie könnte es besser passen – auf einer Baustelle. Sabine arbeitete damals beim bekannten Engadiner Liedermacher, Sgraffito-Künstler und Fassadenrestaurator Paulin Nuotclà. Das Engadin liegt nicht allzu weit weg von ihrer Heimat Taufers im Südtirol. Ihre Ausbildung zur Steinbildhauerin absolvierte Sabine in Laas. Aaron hingegen ist in Parsonz aufgewachsen und hat Schreiner gelernt. Viel Fachwissen in der Holzbearbeitung hat er sich zusätzlich als Mitarbeiter bei verschiedenen Holzbildhauern geholt. Und beide haben eine Weiterbildung als Restauratoren absolviert.
Der Glaube gibt ihnen Kraft
Das Paar hat drei gemeinsame Kinder, die in Savognin zur Schule gehen. Wichtig ist den Bellinis, dass immer einer von ihnen zuhause ist, wenn die Kinder von der Schule kommen. «Wir müssen uns gut organisieren, denn wir haben viel Arbeit und sind meist für ein Jahr im Voraus ausgelastet», meint Aaron. In der wenigen Freizeit, die ihnen bleibt, engagieren sie sich als Sakristanen in den katholischen Pfarreien Savognin und Surses. Aaron ist zudem Stiftungsratspräsident des Museums Regiunal Savognin.
Fresko aus dem 15. Jhd. entdeckt
In der Tgesa Camina sind wir im Esszimmer angekommen. Hier fällt ein Fresko mit einer Krippendarstellung auf. «Das Fresko mit dem Jesuskind stammt aus dem 15. Jahrhundert. Ich habe es während den Restaurierungsarbeiten entdeckt», sagt Sabine. «Zuvor war hier Täfer. Als ich es entfernt hatte, kam ein Verputz mit vielen Rissen hervor. An einer Stelle entdeckte ich dann Farbe und ich fing ganz vorsichtig an, das Bildnis freizulegen. Was für ein aufregender Moment.»
Als wir wieder auf die Strasse treten, kündigt ein frischer Wind die bevorstehende Wintersaison an. Eine Zeit, die das Restaurieren und Arbeiten auf Baustellen aufwändiger macht. Nichtsdestotrotz freuen sich Sabine und Aaron auf den Winter und die besinnliche Adventszeit.
Angraztg fitg ed alla proxima
Text: Franco Furger und Bettina Bergamin
Fotos: Bettina Bergamin
Tag der offenen Tür «Tgesa Caminada»
Samstag, 4. Februar 2023, von 10.00 – 16.00 Uhr
Ferien im Baudenkmal
in der Tgesa Caminada ab Februar 2023