Unterwegs in der Ferienregion
Martina Lanz - Hotelière in 8. Generation
Es ist Ende Oktober, morgens um 9 Uhr. Wir treten in das geschichtsträchtige Haus am Julierpass ein. Es herrscht reger und doch entspannter Betrieb. Gäste geniessen ihr Frühstück, in der Küche wird fleissig Gemüse gerüstet, in den Zimmern werden die Betten frisch gemacht und ein Wanderer fragt an der Rezeption nach einem Ausflugstipp. Mitten drin und überall präsent: die Gastgeberin Martina Lanz. Die 63-Jährige führt das Traditionshaus, das immer in Familienbesitz war, bereits in 8. Generation. Unglaublich.
Martina ist eine Vollblut-Gastronomin, das spürt man sofort. Sie ist herzlich, enorm engagiert, immer auf Zack und sagt geradeheraus, was sie denkt. Martina begrüsst uns und lädt uns auf einen Kaffee ins Restaurant ein.
Lebendige Geschichte bis heute
Die Hotelière erzählt: «Bereits seit über 240 Jahren kehren Gäste im Hotel Post ein. Erbaut wurde unser Haus 1778 als erster Beherbergungsbetrieb auf der Passroute über den Julier und Septimer. Die Menschen kamen als Säumerkolonnen und mit Postkutschen, die bis ins frühe 20. Jahrhundert zwischen Chur und dem Engadin verkehrten.» Erinnerungsstücke und Fotos an den Wänden zeugen von dieser langen Geschichte. Neben der Beherbergung und Bewirtung von Gästen diente das Haus als Pferdewechselstation und Poststelle, was ihm auch seinen Namen verlieh.
Die besondere Lage als Passhotel ist bis heute spürbar – vor allem an der Sprachenvielfalt im Haus. Martina und ihre Mitarbeitenden wechseln ganz selbstverständlich zwischen Deutsch und Italienisch, auch fliessendes Französisch und Dialektformen sind zu hören.
Stammgäste in bestem Alter
«Das Hotel Post durfte sich über all die Jahre einer sehr guten Auslastung erfreuen», bestätigt Martina. Ein grosser Teil der Gäste sind Stammgäste, die bereits seit vielen Jahren immer wieder kommen. Martina lacht: «Eigentlich haben wir im Hotel Post nur zwei Kategorien an Gästen: die Jungen und diejenigen im besten Alter; so wie ich.» Sie stammen vor allem aus der Schweiz – auch aus der Romandie – und Deutschland, Frankreich, Holland oder England
Naturverbundene Menschen, die das historische, gepflegte Ambiente sowie die hervorragende Küche schätzen. Die meisten kommen zum Ski- oder Schneeschuhtouren und im Sommer zum Wandern. Dafür ist das Haus bekannt, das eng mit sechs Bergführern zusammenarbeitet. Auch die Chefin selber liebt es, in den Bergen rund um Bivio unterwegs zu sein: «Hauptsache, in der Natur»!
«Möglichst lokal» ist Ehrensache
Martina Lanz wuchs mit ihren Geschwistern in Bivio auf und verbrachte eine schöne Kindheit. «Obwohl unsere Eltern das Hotel führten, hatten wir auch ein Familienleben. Wir Kinder waren wann immer möglich draussen unterwegs, spielten Räuber und Poli oder Versteckis, halfen beim Heuen und Geissen hüten», erzählt sie. «Damals waren wir in Bivio rund 50 Schulkinder und drei Lehrer. Eine superlässige Zeit». Nach der Grundschule absolvierte Martina die Handelsmittelschule und stieg gleich danach im Hotel Post ein.
Während Martina erzählt, zeigt sie uns eines der kürzlich renovierten Zimmer. Es punktet mit vielen liebevollen Details und sorgfältig ausgewählten Möbeln. Am liebsten würden wir gleich ein paar Nächte bleiben! «Jedes der 48 Zimmer hat seinen eigenen Charakter», erklärt die erfahrene Hotelière.
«Wir haben unser Haus all die Jahre immer wieder erneuert und renoviert, das muss man einfach machen.» Dabei werden nur lokale Handwerker und Lieferanten berücksichtigt, eine Ehrensache», betont Martina. Einzig die Textilien kommen von etwas weiter her. Auf die Innenarchitektin angesprochen, schmunzelt sie: «Das machen alles meine langjährige Mitarbeiterin Silvana und ich. Es macht uns einfach Spass».
Herzensprojekt Parc Ela
Diese Freude als Gastgeberin überträgt sich auch auf die Gäste und die Stimmung im Team. «Mir ist es wichtig, im Hotel präsent zu sein. Ich könnte darum nicht frei machen, während im Hotel viel los ist. Da würde ich ja das Team im Stich lassen.» Martina ist eine Gastgeberin, die gerne gute Gespräche führt und viel lacht. Und wenn sie doch einmal Zeit für sich nimmt, geht sie auf die Langlaufski oder eine Skitour, auf das Mountainbike oder wandern. «Wir haben eine so schöne Natur im Val Surses. Darum ist es mir so wichtig, dass diese für künftige Generationen erhalten bleibt.»
Eines ihrer Herzensprojekte ist deshalb der Parc Ela. Seit Jahren engagiert sie sich im Vorstand des Naturparks. Selbstverständlich ist das Hotel Post ein Parc-Ela-Partnerbetrieb mit entsprechendem Label. Dieses tragen Hotel- und Gastronomiebetriebe, welche die Werte des Naturparks leben und hochhalten.
«Mit 40 musste ich weg»
Martina liebt die Natur und ihre Heimat, wo sie ihr ganzes Leben verbracht hat. Oder fast. Für vier Jahre zog es die Bivianerin aus dem Tal. «Mit 40 musste ich einfach mal weg. Etwas anders sehen», nickt sie. Zuerst ging’s zum Langlaufen nach Schweden, wo sie eine blinde Langlaufathletin kennenlernte. Diese Begegnung sollte sich als wegweisend erweisen. Noch während sie in Schweden weilte, wurde sie zu einem Vorstellungsgespräch für die Expo0.2 eingeladen. Es ging um das Projekt «Blinde Kuh», das Restaurantkonzept, wo man im Dunkeln isst und von Blinden bedient wird. Martina bekam den Job und führte das Projekt mit 70 Mitarbeitenden während der Expo in Murten durch. «Eine unglaublich gute Erfahrung. Noch immer habe ich enge Freunde aus dieser Zeit», sagt sie. «Es waren überhaupt sehr wertvolle vier Jahre. Aber ich bin auch wieder sehr gerne nach Hause zurückgekehrt – und hier bin ich immer noch.»
«Hierhin gehöre ich einfach»
An Ihrer Arbeit gefällt ihr das Organisieren, die Vielseitigkeit und der Umgang mit Gästen und Mitarbeitenden. «Wir sind ein cooles Team und haben es lässig zusammen, das ist mir wichtig.» Gute Mitarbeitende zu finden, sei in letzter Zeit aber schwieriger geworden, sagt Martina. Eine weitere Veränderung ist, dass die Gäste ein ganz anderes Buchungsverhalten haben als früher. «In meiner Jugend waren die Hochsaisonwochen im Winter bereits ein Jahr im Voraus ausgebucht. Denn viele Gäste sicherten sich bei der Abreise gleich wieder ihr Zimmer. Heute wird viel kurzfristiger und sehr wetterabhängig gebucht».
Auf die Frage, was ihr Bivio und das Val Surses bedeutet, sagt Martina bewegt: «Es ist unser Tal, unser schönes Tal, und meine Heimat. Hierhin gehöre ich, irgendwie, weisst du. Und betont: «Besonders wichtig für mich sind Origen und der Parc Ela. Wandern oder Skifahren kann man überall, aber diese beiden Institutionen machen mit ihren grossartigen Angeboten den Unterschied.»
Text: Franco Furger und Bettina Bergamin
Fotos: Lorenz A. Fischer, Ivo Kiener und Bettina Bergamin
Hotel Post in Bivio
Gepflegte Gastronomie mit Produkten aus der Region, 48 neu gemachte Zimmer, Lift, Wellnessbereich mit Dampfbad und Sauna.