Unterwegs in der Ferienregion.
Mit dem Wildhüter zur Schafhirtin
Nebelschwaden hängen an den Berghängen, Überbleibsel des gestrigen Regentags. Der Wildhüter Armando Janett läuft Richtung Curtegns einer Alp unterhalb der mächtigen Flanken des Piz Mitgels. Seine Schritte sind schnell, ab und zu bleibt er stehen und schaut durch seinen Feldstecher. «Ich liebe solche Tage. Nach dem Regen schmeckt die Luft wieder richtig frisch», sagt er. Zudem seien die Wildtiere aktiver, man habe deshalb grössere Chancen, welche zu sehen. Gämsen oder Füchse zu beobachten, ist aber nicht sein Ziel heute. Nein, vielmehr will er sehen, wie es den Schafen und Herdenschutzhunden dort oben auf rund 2000 Metern über Meer ergeht.
Wölfe verhalten sich unauffällig
In den Sommermonaten tauscht sich der Wildhüter regelmässig mit den Hirtinnen und Landwirten der Region aus. Das zentrale Thema dabei ist der Wolf, der sich in den vergangenen Jahren auch im Val Surses angesiedelt hat. «Wir haben ein beständiges Wolfsvorkommen », weiss der Experte. «Doch die Wölfe verhalten sich unauffällig und konzentrieren sich auf Wildtiere und nicht auf Nutztiere, worüber wir natürlich sehr froh sind.» Trotzdem: Die Präsenz des Wolfs hat die Schafhaltung in der Region schlagartig verändert und mit Schutzzäunen, Nachtpferchen und Herdenschutzhunden viel aufwändiger gemacht. Einige Alpen werden deshalb nicht mehr lange mit Schafen bestossen werden können. Als Armando die Schafherde erreicht, wird er bellend begrüsst. Julia, die Schafshirtin, macht den aufmerksamen Beschützern klar, dass der stattliche Mann keine Bedrohung darstellt, worauf sich die Hunde ein Stück entfernen, um das Geschehen kritisch aus der Distanz zu beobachten. Vier Herdenschutzhunde beschützen hier rund 800 Schafe vor dem Wolf.
Wolf verändert vieles
Armando betont, dass der Wolf nicht nur für Landwirtinnen und Hirten Veränderungen mit sich bringt, sondern auch für Wanderer, Bikerinnen, Spaziergänger mit Hunden, Maiensässbesitzerinnen – sprich für alle, die gerne draussen unterwegs sind. Auch sie müssten ihr Verhalten anpassen und zum Beispiel den Hund in Gebieten mit Herdenschutzhunden konsequent an die Leine nehmen oder vom Bike absteigen. Der Wildhüter und die Hirtin beginnen sich zu unterhalten. Sie möchte von ihm wissen, ob es Neuigkeiten von den Wölfen gibt. Wo befinden sie sich? Gab es Jungwölfe? Irgendwelche Zwischenfälle? Doch Armando kann ihr nichts Konkretes sagen, denn seit über einem Monat gab es keine Wolfssichtung mehr im Val Surses. «Auch wir Wildhüter wissen nicht, wo die Wölfe gerade sind, auch wenn das alle von uns wissen wollen.» Anschliessend erkundigt sich Armando bei Julia, wie es ihr mit den Herdenschutzhunden und Zäunen läuft, ob sie gut damit zurechtkommt und ob sich mal ein Wildtier darin verfangen hat.
Wie man Konflikte vermeidet
Als Wildhüter sieht sich Armando in einer Vermittlerrolle: «Der Austausch mit den verschiedenen Interessensgruppenist wichtig, um gegenseitiges Vertrauen aufzubauen, praktikable Lösungen zu finden und um gerüstet zu sein, falls einmal ein Wolfsereignis passieren sollte». Für den Wildhüter ist klar, dass man den Wolfsbestand (wie bei manchen anderen Wildtieren) regulieren muss und auf eine, dem Lebensraum angepasste Grösse behalten sollte, ohne dabei den Bestand zu gefährden. Das bedeutet, nötigenfalls auch Wolfsabschüsse, welche der Bund genehmigen muss, durchzuführen. Für Armando ist es wichtig, dass im Tal eine sachliche Kommunikation darüber stattfindet. Er ist überzeugt: «Viele Konflikte können vermieden werden, wenn man offen für die Bedürfnisse und Aufgaben der anderen ist und ehrlich miteinander redet.» Das gelte für das Thema Wolf genauso wie für touristische Themen wie zum Beispiel einen neuen Bike-Trail. Armando ist sehr froh und dankbar, dass er und seine Kollegen bei Infrastrukturprojekten jeweils frühzeitig miteinbezogen werden. Darum kann er auch sagen: «Ich denke, wir haben im Val Surses eine gute Kommunikation unter den verschiedenen Interessensgruppen.»
Der vergessene Auerhahn
Ein wichtiges Anliegen ist ihm, dass sich die Leute auch an die gemeinsam erarbeiteten Regeln halten und sich bewusst sind – oder bewusst werden –, wie wertvoll eine intakte und artenreiche Natur ist. «Wir haben hier zum Beispiel auch wichtige Bestände an grossen Hühnervögeln wie Auerhahn und Birkhahn. Doch diese gehen in den Diskussionen leider oft vergessen.» Darum bittet Armando, im Wald und in Waldnähe möglichst auf den Wegen zu bleiben und Hunde nicht frei herumstreunen zu lassen, um so nicht Wildtiere aufzuschrecken.
Steckbrief
Armando Janett ist 43 Jahre alt, verheiratet und Vater von zwei Kindern. Er wohnt mit seiner Familie in Savognin.
Was macht ein Wildhüter eigentlich?
Der Beruf des Wildhüters ist sehr abwechslungsreich und besteht aus mehr, als Wildtiere zu beobachten. Hier eine unvollständige Zusammenstellung nach Jahreszeiten.
FRÜHLING
Eine der zentralen Aufgaben der Wildhüter zu dieser Jahreszeit sind die Bestandsaufnahmen der heimischen Schalenwildarten, der Hasen sowie verschiedener Hühnervögel. Diese Daten bilden die Grundlage für die Planung der Jagd im Herbst. Insbesondere für den Hirsch sind möglichst genaue Zahlen wichtig, da es im Moment eher zu viele Hirsche gibt, was zu vielen Verbissschäden führt. Hirschzählungen werden vorwiegend mit sogenannten Nachttaxationen durchgeführt (im Auto mit Scheinwerfer und Nachtsichtgerät).
SOMMER
Wie oben beschrieben ist die Information, Vermittlung und Aufklärung rund um das Thema Grossraubwild mittlerweile eine wichtige Aufgabe geworden. Auch die Fischereikontrolle gehört zu den Tätigkeiten der Wildhüter inklusive Aussetzen von Fischen in Flüssen und Bergseen.
HERBST
Ab September bestimmt dann die Jagd den Arbeitsalltag. Die Wildhüter sind während dieser zeitintensivsten Jahreszeit vor allem als Jagdpolizei unterwegs und müssen kontrollieren, ob die Jagdregeln eingehalten werden. Weiter wird ein Grossteil der Abschüsse der Hoch-, Steinwild- und Sonderjagd durch die Wildhüter ausgewertet und kontrolliert.
WINTER
Die ruhigste Zeit ist in der Regel im Winter. Eine wichtige Aufgabe ist die Markierung und Kontrolle der Wildruhezonen. Zudem müssen die Wildhüter tote Tiere entfernen und feststellen, woran sie gestorben sind. Waren sie krank oder schwach oder war der Wolf beteiligt? Auch bei Verkehrsunfällen mit Wild, die im Winter häufiger sind, wird der Wildhüter aufgeboten.
Angraztg fitg ed alla proxima. Seraina
Text: Franco Furger
Fotos: Seraina Giovanoli-Trenkwalder
Lektorat: Franco Furger