Besuch beim Imker.
Von der Blüte zum Honig
Mein 3. Besuch bei Gira und seine Bienen. Sein Bienenhäuschen liegt an einem wunderbaren Ort in der Nähe von Parsonz. «Die Aussicht ist der Wahnsinn» schwärme ich. Und die Bienen finden hier ringsum üppige Blumenwiesen.
Gira, der bereits in Vollmontur steckt, reicht mir eine Schutzausrüstung. Ich bin ein wenig aufgeregt. «Keine Angst, die Bienen sind heute relativ ruhig», beruhigt mich Gira. Er weiss ganz genau, wann die guten Erntetage sind, denn er will möglichst ohne Smoker arbeiten und die Bienen nicht mit Rauch zum Ausfliegen zwingen.
Hinter den Türchen summen die Bienen
Gira und sein Helfer Patrick treten ins Bienenhäuschen, ich folge ihnen und staune wie schön alles ausgebaut ist, wie eine kleine Stube mit liebevoll geschreinerten Schranktürchen. Hinter den Türchen befinden sich Holzkisten, in denen mehrere Wabenrahmen stecken. Im Fachausdruck werden diese Bienenbehausungen «Beuten» genannt.
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Nun gilt’s ernst: Gira nimmt die honiggefüllten Rahmen einzeln heraus, wischt vorsichtig die Bienen weg, und reicht sie mir weiter und ich stelle sie in grosse Plastikkisten ab. Der enge Raum füllt sich mit Honigduft und dem lauten Summen der zumeist friedlichen Bienen. Gira hat in seinem Bienenhäuschen praktisch alles selbst gebaut, er ist gelernter Schreiner und arbeitet seit 25 Jahren als Betriebsschreiner bei den Savognin Bergbahnen. Zum Imkern kam er vor 30 Jahren durch seinen damaligen Chef, der in einem Wohnwagen Bienen hielt. Als sich dieser einen neuen Bienenwanderwagen anschaffen wollte, beauftragte er Gira mit dem Bau der Bienenbeuten. So lernte Gira, was es für die Bienenzucht benötigt, und übernahm den alten Wohnwagen seines Chefs. Seither ist er begeisterter Imker.
Nach dem Schleudern fliesst der Honig
«Ein fleissiges Volk», sagt Gira beim Herausholen einer prall gefüllten Wabe. «Diese liefert rund 1 Kilogramm Honig». Damit das flüssige Gold auch fliesst, müssen die Waben geschleudert werden. Wir schieben die Kisten mit den Wabenrahmen in den Nebenraum, wo die grosse Honigschleuder steht. Hier ist bienenfreie Zone, sodass wir uns aus den Schutzanzügen befreien können.
Bevor die Waben in die Schleuder kommen, muss noch die Bienenwachsschicht entfernt werden. «Die Jungbienen verschliessen die einzelnen Zellen luftdicht. Das Wachs dafür produzieren sie mit eigenen Wachsdrüsen», sagt Gira, während er mit einem Spezialkamm vorsichtig die Wachsplättchen entfernt. Nun kommen die Wabenrahmen in die Schleuder, acht Stück haben darin Platz.
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Und dann, nach nur wenigen Minuten fliesst der Honig, goldig glänzend und herrlich duftend.
Nur eine kann Königin sein
Auch wenn eine gute Honigernte das Ziel eines jeden Imkers ist, mag Gira andere Arbeiten lieber. Am meisten fasziniert ihn, ein neues Volk aufzubauen.
Zu diesem Zweck hat er eine spezielle Kiste geschreinert, in welcher er bis zu vier Jungvölker heranziehen kann.
Und so funktioniert die Bienenzucht: Aus einem starken Volk entnimmt Gira einen Teil der Bienen und legt sie in seine Kiste, inklusive Wabe und Brut. «Es muss eine ganz junge Brut sein, die Eier höchstens drei Tage alt», erklärt er. Denn nur eine junge Brut könne eine neue Königin herausbilden. Wenn dann die Bienen merken, dass sie keine Königin mehr haben, beginnen sie, einige Maden so stark zu füttern, dass potenzielle Königinnen heranwachsen. Nachdem die erste Jungkönigin geschlüpft ist, macht sich diese an die noch ungeschlüpften Jungköniginnen und tötet sie. Denn nur eine kann Thronfolgerin werden!
Nach rund einer Woche verlässt die jungfräuliche Königin in Begleitung einiger Arbeiterinnen den Bienenstock, um sich auf einen sogenannten Drohnensammelplatz paaren zu können. Um Inzucht zu verhindern, paart sie sich mit acht bis zwölf Drohnen. Nach der Begattung wird den männlichen Bienen auf brutale Weise das Geschlechtsteil entrissen, sodass sie tot zu Boden fallen.
Im Schleuderraum fliesst noch immer der Honig. Patrick stellt den nächsten vollen Eimer beiseite. Gira kontrolliert den Wassergehalt des Honigs: 14 %, also perfekt.
Ich muss mich zusammenreissen, um nicht die Finger unter den fliessenden Honig zu halten. Der frische Honig muss nun noch gerührt und kann dann in Gläser abgefüllt werden.
Mit dem Honigduft in der Nase, einem Lächeln im Gesicht, einem etwas klebrigen Fotoapparat und mit null neuen Bienenstichen geht’s dann zufrieden heimwärts.
„Etwas würde ich sehr gerne noch erwähnen“, sagt Gira „Nicht zu vergessen sind unsere über 600 verschieden Wildbienenarten, welche genau so wertvoll für die Bestäubung der Blüten sind wie unsere Hausbienen.“
Angraztg fitg tger Gila ed alla proxima 😉 Seraina
Geschichte und Fotos: Seraina / Text: Franco
Extras
Eine Biene, viele Aufgaben
Eine Sommerbiene lebt circa 42 Tage und hat im Verlauf ihres Lebens unterschiedliche Aufgaben: Zunächst ist sie Zellputzerin (Tag 1-2). Als Ammenbiene (Tag 3-12) füttert und versorgt sie die Larven. Als Lageristin (Tag 13-20) nimmt sie den Sammelbienen den Nektar ab und wandelt ihn mit Hilfe von Enzymen in Honig um. Zwischen Tag 10 und 20 bildet die Biene Wachsdrüsen, um als Baubiene beschädigte Zellen zu reparieren oder neue Waben zu bauen. Als Wächterbiene (ab Tag 18) wagt sie sich erstmals an den Ausgang des Stocks, die Giftblase ihres Stechapparates beinhaltet nun die maximale Menge. Ab dem 20. Tag und bis zum Ende ihres intensiven Bienenlebens ist sie Sammel- und Spürbiene. Um Nektar, Pollen und Honigtau zu sammeln, entfernt sie sich bis zu 10 km vom Bienenstock. Eine erfahrene Biene erkundet als Spürbienen neue Sammelgebiete.
Kleines Honig- und Bienenwissen
- Eine Biene produziert in ihrem Leben etwa einen Teelöffel Honig.
- Für 500 Gramm Honig fliegen die Bienen rund eineinhalb Mal um die Erde.
- Honigbienen bestäuben 68 % aller Blüten weltweit.
- An einem guten Tag bestäubt eine Sammelbiene bis zu 3'000 Blüten.
- Je weniger Wasser im Honig ist, desto besser schmeckt er und desto länger ist er haltbar.
- Eine weisse Verfärbung auf dem Honig (Blütenbildung) ist ein Qualitätsmerkmal und zeigt, dass der Honig wenig Wasser enthält.