Medienmitteilung 06.06.2024

Eröffnung des Hotel Löwe in Mulegns

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© Benjamin Hofer
Der Löwe brüllt wieder! Das ehemalige Flaggschiff der Sursetter Hotellerie, eines der ältesten Gasthäuser des Kantons, hat seine Tore wieder weit geöffnet. Am vergangenen Donnerstag, 6. Juni 2024 wurde das spätklassizistische Juwel mit viel Prominenz, knappen Reden und bunten Theatermomenten eingeweiht.

Nach einer vierjährigen, komplexen, spannenden Bauzeit empfängt das denkmalgeschützte Hotelensemble wieder Gäste. Die Küche ist ab Montag, 10. Juni 2024 geöffnet, Schlafgelegenheit gibt es ab dem 2. Juli 2024. Davor kann das Haus ausführlich besichtigt werden. Origen bietet täglich drei Führungen an, die vom Weinkeller des ehrenwerten Hauses bis unters Dachgeschoss führen, durch Prinzessinnensuiten und Kutscherzimmern. Im Ticketpreis der exklusiven Führung ist eine kleine Mahlzeit sowie die Anreise mit dem öffentlichen Verkehr ab allen Bahnhöfen und Postautohaltestellen in Graubünden inkludiert.

Lange Zeit war die Zukunft des Hotel Löwe ungewiss. Das Haus drohte zu zerfallen, Regenwasser drang in die historischen Räume, die Fassaden bröckelten, die alte Küche drohte in den Bergbach zu fallen. Die letzten Besitzer konnten das Haus nicht länger erhalten. Das grosse Ensemble, das aus zwei Schmieden, weiten Pferdeställen, einer stattlichen Wagenremise, einem kleinen Elektrizitätswerk und einem schmucken Telegrafeneröffnungamt besteht, schien dem Verfall geweiht. Als die Nova Fundaziun Origen vor fünf Jahren das Haus erwarb, wurden sofort die dringendsten Sanierungsmassnahmen initiiert. Die Dächer wurden saniert, die Fassaden hergerichtet, alle Leitungen für Wasser und Strom neu verlegt, ein sicherer Brandschutz installiert. Alle historischen Bestände wurden sorgfältig dokumentiert, die zahlreichen Dokumente archiviert. Mit Martin Leuthold wurde ein Gestalter gefunden, der die historische Substanz als Inspirationsquelle nutzte und ein heiteres Hoteltheater entworfen hat, das einzigartig, detailverliebt und froh zeitgenössisches Kunsthandwerk zelebriert.

Nun kehrt Leben ins Haus zurück, endlich. Die Renovation des Post Hotel Löwe ist ein kleines Wunder, das dank der Hilfe unzähliger Stiftungen und den Spenden vieler Privatpersonen möglich wurde. Wir danken Ihnen bestens für Ihre Aufmerksamkeit und freuen uns, Sie persönlich in Mulegns zu begrüssen.

Giovanni Netzer
Intendant Origen

Im Löwe wohnen / Preisliste

Doppelzimmer: CHF 290
Paris, Helsinki

Doppelzimmer Extra: CHF 350
Turin, London, Moskau

Suite: CHF 490
Florenz, St. Petersburg

Die Zimmpreise verstehen sich pro Nacht und 2 Personen inklusive Mehrwertsteuer und einem reichhaltigen Frühstück. Die Ortstaxe von CHF 2.50 pro Person und Nacht wird separat berechnet. Die Einzelbenutzung der Doppelzimmer / Suiten entspricht 70% der obigen Preise und ist je nach Saison und Verfügbarkeit auf Anfrage möglich. 

Reservation
Unsere Gastgeberin Nadia Rybarova nimmt Zimmerreservationen gerne per
Mail an hotel@origen.ch oder telefonisch unter +41 81 659 15 11 entgegen.

Totgeglaubte leben länger / Die Geschichte einer Renovation

Totgeglaubt, vom Abriss bedroht, nun strahlend auferstanden: Das legendäre Hotel Löwe im Passdorf Mulegns öffnet seine Tore und rüstet sich für das dritte Jahrhundert. Das alte Flaggschiff der Sursetter Hotellerie, eines der ältesten Hotels des Alpenraums, zelebriert seine überwältigende Geschichte und spielt virtuos mit dem historischen Erbe. Was Martin Leuthold, der wohl begabteste Textildesigner der Schweiz, im Hotel Löwe geschaffen hat, ist ein detailversessenes, geistreiches, frohes Gesamtkunstwerk, das eine leichte Weltläufigkeit zelebriert und den Alpenraum neu interpretiert als grosse Kulturlandschaft, als waches, karges, quicklebendiges Herz Europas.

Nichts deutet auf touristische Relevanz: Das Dörfchen ist von schroffem, geädertem Felsgemenge umgeben. Die Rehe und Gämsen weiden an den Grashängen und schauen unbekümmert ins Tal. Die Passstrasse schlängelt sich geduckt durchs Dorf. Es fehlt die weite Aussicht, der milde Horizont, selbst die kühne Bergkette. Mulegns liegt in einem wildromantischen Talboden, an Felsbrocken angelehnt, die lange vor dem Häuserbau ins Tal gedonnert sind. Das Dörfchen ist von grossartigen Hochebenen umkreist. Die Sonne gibt sich im Winter von der kargen Seite, aber sie scheint das ganze Jahr. Nebel kennt der Ort nicht, die Sterne schimmern nächtens über den Lärchenwipfeln.

Was sich in Mulegns erhalten hat, ist ein historischer Hotelkomplex mit Speisesälen, Salons, Fürstenzimmern. Der Baubestand umfasst ein Telegrafenamt, Kleintierställe, ein Elektrizitätswerk. Dazu riesige Pferdeställe, Kutschenremisen, eine Fuhrhalterei, zwei Schmieden: alles erzählt vom alten Passverkehr. Verschwunden sind eine ältere Remise mit kathedralesken Zügen, ein Tennisplatz, ein Cricketfeld. Das zwanzigste Jahrhundert hat sich der sportlichen Aktivitäten, der Freizeitfreuden der englischen Gäste entledigt. Es galt zu überleben. Die Gäste aus aller Welt fuhren mit der Eisenbahn ins höhere Engadin. Die Rhätische Bahn hat das Surses verraten.

Renoviert ist der Hotelpalast.
Die spätklassizistische Fassade täuscht: das Haus ist in Etappen entstanden, wurde laufend überformt, erweitert, neu gefasst. Die Kellertüren sind barocken Ursprungs, der Speisesaal wurde von Nikolaus Hartmann am Ende des 19. Jahrhunderts erbaut: das historistische Dekor verbirgt eine schlanke Stahlträgerkonstruktion, die die Moderne einläutet, aber nicht mehr erlebt. Die grosse Mulegnser Zeit erstickt am ersten Weltkrieg.

Drinnen prangt Farbenpracht.
Die Deckendekors, in Kleinstarbeit mühsam freigelegt, zeigen Schichten und Wunden. Die Malereien sind nicht restauriert, nichts kaschiert den Verfall, die Geschichte darf atmen. Die Wände strahlen in kraftvollen Farben, die den Gast rauschhaft empfangen und bergen: ein Sonnengelb als Entrée, ein kräftiges Mauve für das helle Vestibül, der Salon als warmbraune Höhle, der Theatersaal in Eisblau, das Fürstenzimmer in Zitronengelb, sanft gestreichelt von silbernen Spitzenvorhängen. Überhaupt sind die Textilien von erlesener Pracht. Die eigens gefertigten Teppiche zitieren Deckendekors und Blumenfülle. Donata Willis allgegenwärtige Geranien finden sich auf Teppichen wieder, tauchen in geätzten Scheiben auf, zieren Vorhänge, standen gar Pate für die Farbwahl der Küche, die – anders als in den sterilen Kachelräumen moderner Hotelküchen – die Köche mit strahlendem Hellrot und sattgrünen Böden umfangen.

Wer in Mulegns kocht, führt kein Kulissenleben. Die Küche ist das warme Herz des Hauses. Die Zimmer, zu grosszügigen Suiten zusammengefasst, erzählen von weitgereisten Gästen, von europäischen Metropolen, die die ersten Gäste in die Alpen schickten. Das Londoner Zimmer spielt mit Tartanmustern und künstlichen Lichteinfällen, in der Florentiner Suite liegt ein Lilienteppich, die Petersburger Suite spielt mit Bernsteinund Malachitdekors, in Anlehnung an die grosse Architektur der Lagunenstadt. Paris schwelgt in gewellten Teppichen, Torino in kleinen Blütenmustern. Helsinki hält sich edel bedeckt in nordischem Weiss. Moskau tanzt aus der Reihe: holographierende Tapeten auf Diamantgeschmeide schafft weihnächtliches Gepräge, im Bad wird der russische Prunk auf die Schippe genommen: Die prachtvolle Moskauer Metro stand Modell für das Badezimmer, samt durchfahrendem Zug. Überhaupt sind die Bäder die Kleinodien der gesamten Ausstattung: Als tapezierte Zimmer mit weissen, an alte Waschkommoden angelehnte sanitäre Inseln bilden sie Brücken zur ältesten Ausstattung. An ihren Wänden prangen Turiner Wassergrotten oder die Muschelpracht des Palazzo Pitti. Die Welt klebt, in Tapeten gefasst, in Mulegns fest. Der Pass ist die Lebensader, er weiss von der grossen weiten Welt, die im Dorf rastet.

Am Ende meiner Tour sitze ich auf den bedruckten Goldbrokaten des Salons und starre an die Decke. Vielleicht hat die englische Kronprinzessin Mary die zarten Rosen bewundert. Russlands vergessene Zarenwitwe mochte die Veilchen. Der amerikanische Präsident Grover Cleveland hat die Malereien kaum gesehen: Seine Augen wichen nicht von Antlitz der jungen First Lady, die mit ihm reiste und die langersehnte Tochter gebar.

Mulegns ist ein Spiegel der Weltgeschichte, nicht mehr, nicht weniger.